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Landgericht Flensburg zur Haftung für Filesharing in einer WG

Der Inhaber eines Internetanschlusses in einer Wohngemeinschaft haftet nicht grundsätzlich für eine über diesen Anschluss begangene Urheberrechtsverletzung, wenn er ausreichend darlegen kann (sekundäre Darlegungslast), dass die streitgegenständliche Verletzungshandlung auch durch einen ehemaligen Mitbewohner begangen worden sein könnte. Darauf hat das Landgericht Flensburg am 23.02.2016 in einem Berufungsverfahren hingewiesen (Az.: 8 S 48/15).

Sachverhalt zur Entscheidung des LG Flensburg Filesharing in WG

Der Inhaber des Internetanschlusses (Beklagte) lebt in einer Wohngemeinschaft und wurde abgemahnt, auf einer einschlägigen Onlineplattform den Film „The Iceman“ im Rahmen des Filesharings zur Verfügung gestellt zu haben. Der Beklagte kam einer der Abmahnung beiliegenden Zahlungsaufforderung jedoch nicht nach. So beauftragte die Rechteinhaberin des entsprechenden Films eine Kanzlei, die Schadensersatz in Höhe von 500,00Euro gerichtlich geltend machte. Vor dem Amtsgericht Kiel konnte der Anschlussinhaber in der Vorinstanz glaubhaft darlegen, dass nicht er selbst, sondern ein ehemaliger Mitbewohner in der Wohngemeinschaft, den Film online zur Verfügung gestellt hatte. Nach der dort vertretenen Ansicht habe der Beklagte hierdurch seine sogenannte sekundäre Darlegungspflicht erfüllt.

Von sekundärer Darlegungslast spricht man bei der Pflicht einer Prozesspartei trotz Beweisbelastung des Gegners zur Auskunft, wenn die nach den allgemeinen Grundsätzen beweisbelastete Partei „außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt“, dem Gegner aber eine Auskunft möglich und zumutbar ist. 
Deshalb sei es nun Sache der Klägerin zu beweisen, dass die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung auch tatsächlich durch den Beklagten begangen wurde. Eine Verantwortlichkeit des Anschlussinhabers für die Handlungen seines ehemaligen Mitbewohners bestehe nur, wenn ihn eine Überwachungspflicht treffe. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Berufung ein.

Keine Belehrungspflicht innerhalb einer WG

Das Landgericht Flensburg wies im vorliegenden Beschluss auf die mangelnden Erfolgsaussichten der Berufung hin und machte deutlich, dass eine Haftung des Anschlussinhabers für die von Anschlussnutzern begangenen Urheberrechtsverletzungen nur in Betracht kommt, wenn den Inhaber eine anlasslose Belehrungs- oder Überwachungspflicht trifft und er diese verletzt hat.

Das Gericht vertritt jedoch die Auffassung, dass Inhaber eines Internetanschlusses innerhalb einer Wohngemeinschaft eben keine anlasslose Belehrungs- oder Überwachungspflicht trifft. Entscheidend dafür sei, dass die Zurverfügungstellung eines Internetanschlusses zur gemeinsamen Nutzung ein übliches Vorgehen innerhalb einer Wohngemeinschaft darstelle. Deshalb sei der Anschlussinhaber so lange nicht dazu verpflichtet, seine volljährigen Mitbewohner zu belehren oder zu überwachen, bis er tatsächliche Anhaltspunkte für eine illegale Nutzung des gemeinsamen Anschlusses habe.

Im Übrigen gab die Kammer zu bedenken, dass die Belehrungspflicht nicht auf das Unterlassen von rechtswidrigem Filesharing wie in diesem Fall zu beschränken sei, sondern anlasslos auch für viele andere rechtswidrige Nutzungen und Verhaltensweisen zu gelten hätte. Das aber würde zu einer nicht hinnehmbaren Ausweitung von Belehrungs- und Überwachungspflichten führen. Eine Belehrung darüber, dass bei einer Nutzung von Verkaufsplattformen, sozialen Medien oder anderen Diensten keine urheberrechtlich geschützten Werke öffentlich genutzt werden dürften, wäre nicht ausreichend. Vielmehr wäre auch eine ordnungsgemäße Belehrung darüber notwendig, dass weitere naheliegende rechtswidrige Handlungen bei der Internetnutzung, wie Straftaten gegen die Ehre bei der Benutzung von Internetmedien (Twitter, WhatsApp Web) oder Beteiligung an Straftaten, zu unterlassen seien. Dieser kaum eingrenzbaren Belehrungspflicht könne man nur gerecht werden, wenn dem Nutzer bei der vorübergehenden Überlassung des Internetzugangs an Dritte die Pflicht träfe, jeweils über die beabsichtigte Nutzung eine Auskunft zu begehren. Das Gericht vertritt die Auffassung, dass dies nicht verhältnismäßig sei.

Fazit

Der im Beschluss enthaltene Hinweis des Landgerichts Flensburg ist begrüßenswert. Einer unüberschaubaren Haftung des Anschlussinhabers wurde so ein Riegel vorgeschoben. Vielmehr ist jeder volljährige und einsichtsfähige Nutzer eigenverantwortlich aktiv. Darüber hinaus wurde ein Vergleich mit dem familiären Zusammenleben mit volljährigen Kindern gezogen. Hier hatte der Bundesgerichtshof schon in der Vergangenheit eine generelle Überwachungspflicht des Anschlussinhabers verneint.

In der Praxis stellt der vorliegende Beschluss ein deutlicher Gewinn an Rechtssicherheit dar. Allein die Zurverfügungstellung eines Internetanschlusses kann eine Haftung begründen, muss es aber nicht. Erst bei konkreten Verdachtsmomenten, die für eine Verletzung von Urheberrechten durch die Nutzer sprechen, kann die Überwachungs- und Belehrungspflicht angenommen werden.

LG Flensburg, Beschluss vom 23.02.2016, Az.: 8 S 48/15

Björn Wrase

Björn Wrase

RA Björn Wrase: Anwalt für AI/KI- & IT-Recht, Medien- und Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht und DatenschutzView Author posts