Wer als Internethändler besonders attraktive Angebote auf seinen Online-Seiten anpreist, muss die angebotene Ware auch auf Lager haben. Ist das letzte Stück verkauft, muss das Angebot unverzüglich gelöscht oder mit dem Hinweis, dass das Produkt derzeit nicht geliefert werden kann, versehen werden.
Die bisherige Rechtsprechung zur Unlauterkeit von „Lockvogel-Werbung“ betraf den stationären Handel. Ein Argument dafür, von einer Täuschungshandlung zuungunsten des Verbrauchers auszugehen, bestand darin, dass der Verbraucher durch die Werbeannonce dazu veranlasst wurde, den Laden zu betreten und damit eine persönliche Grenze zu überschreiten. Den Laden wieder zu verlassen, ohne etwas gekauft zu haben, würde nach Lebenserfahrung der Richter vielen Kunden schwer fallen.
Beim Online-Handel besteht keine solche tatsächliche Schwelle. Der Verbraucher sitzt wahrscheinlich bequem, während er im Internet surft und dabei verschiedene Angebote von Online-Shops prüft. Wenn er sich für ein attraktives Angebot entscheidet, leitet er einen Bestellvorgang ein.
So geschah es auch in dem Fall, den das Oberlandesgericht Hamm am 11.08.2015 in zweiter Instanz durch Urteil entschieden hat (Az.: 4 U 69/15). Eine Mitbewerberin hatte den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen einen Online-Händler beantragt, der E-Fahrräder eines bestimmten Typs zum Kauf angeboten hatte, obwohl das letzte Stück aus seinem Lager bereits verkauft war. Der Händler hatte bei seinem Angebot zwar darauf hingewiesen, dass nur noch wenige Stücke auf Lager waren. Er hatte das Angebot jedoch nach dem Verkauf des letzten in der vom Käufer gewählten Ausstattung verfügbaren E-Fahrrades nicht entsprechend berichtigt.
Angebot trotz fehlender Verfügbarkeit ist Lockvogelangebot wettbewerbswidrig
Das Oberlandesgericht Hamm führte aus, dass es bei der Täuschung von Verbrauchern durch Lockangebote nicht unbedingt darauf ankomme, dass der Kaufinteressent tatsächlich ein Geschäft betritt. Auch die vollständige Durchführung einer Bestellung, die im zu entscheidenden Fall sogar vom Händler bestätigt wurde, reicht aus, um die Entscheidungsfreiheit hinsichtlich eines später angebotenen Ersatzgeschäfts zu beeinträchtigen.
Im vorliegenden Fall hatte der beklagte Händler den Testkäufer Stunden nach Absenden der Bestellbestätigung durch E-Mail darüber informiert, dass das bestellte Fahrrad nicht mehr lieferbar sei. Gleichzeitig wies er den Kunden darauf hin, dass „im Januar“ das neue Modell des Fahrrades verfügbar sei und fragte „Wie sollen wir verfahren?“
Die von Händlern häufig angewandte Praxis, eine Benachrichtigung darüber, dass Ware vergriffen ist und nicht geliefert werden kann, mit einem neuen Angebot, hier: Vorbestellung des neu hereinkommenden Modells, zu verbinden, stellt nach Ansicht des Oberlandesgerichts Hamm ein unlauteres Wettbewerbsverhalten dar. Das gilt besonders deshalb, weil mit der Eingangsbestätigung für die Bestellung bereits die Zahlung angefordert wurde.
In dem nicht unwahrscheinlichen Fall, dass der Kunde die angeforderte Bezahlung zur Sicherung seiner Bestellung kurzfristig veranlasst, befindet er sich nach der Absage in der Situation, entweder das Geld zurückfordern zu müssen oder etwas anderes zu bestellen. Die Scheu vor der Rückforderung dürfte ähnlich groß sein wie das Unwohlsein, einen Laden zu verlassen, ohne etwas gekauft zu haben.
OLG Hamm, Urteil vom 11.08.2015, Az.: 4 U 69/15