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Urteile des Bundesgerichtshofs zum Filesharing im Mai 2016

Auch im Mai 2016 musste sich der Bundesgerichtshof anlässlich verschiedener Verfahren zur Haftung im Rahmen des sog. Filesharing auseinandersetzen.

Gegenstandswert der anwaltlichen Filesharing Abmahnung

Die ersten drei Entscheidungen vom 12.05.2016 (Aktenzeichen: I ZR 272/14, I ZR 1/15 und I ZR 44/15) befassen sich mit der Problematik rund um den Gegenstandswert der anwaltlichen Abmahnung. Konkret hatte der Inhaber der Verwertungsrechte an verschiedenen Filmwerken wegen der öffentlichen Zugänglichmachung seiner Filmwerke im Wege des Filesharing vom Inhaber des Internetanschlusses, von dem aus die Veröffentlichung erfolgte, Schadensersatz und den Ersatz der Abmahnkosten gefordert.

Die Kosten der Abmahnung richten sich nach deren Gegenstandswert. Der Anwalt des Inhabers der Verwertungsrechte ging davon aus, dass der Gegenstandswert seiner Abmahnungen sich je nach Film auf zwischen 10.000 € und 30.000 € beläuft. Das Landgericht Bochum, welches den Sachverhalt vor dem Bundesgerichtshof entscheiden musste, war indes der Auffassung, dass sich der Gegenstandswert der Abmahnung stets auf das Doppelte des anzunehmenden Lizenzschadens beläuft und hat den Gegenstandswert deshalb auf Beträge zwischen 506 € und 1.200 € herabgesetzt.

Dieser pauschalen Herabsetzung hat der Bundesgerichtshof mit seiner Entscheidung nunmehr eine Abfuhrt erteilt. So stellt der BGH fest, dass der Gegenstandswert einer Abmahnung sich grundsätzlich aufgrund des Interesses des Abmahnenden an der Unterbindung künftiger Rechtsverletzungen unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls bestimmen lässt. Dies liegt vor allem daran, dass die Veröffentlichung in Tauschbörsen nicht nur die Lizenzierung des Werkes, sondern seine komplette kommerzielle Auswertung bedrohen kann. Deshalb müssen für die genaue Bestimmung des Gegenstandswert nach Auffassung des BGH folgende Aspekte ermittelt und herangezogen werden: wirtschaftlicher Wert des verletzten Rechts, Aktualität und Popularität des Werks, Intensität und Dauer der Rechtsverletzung sowie subjektive Umstände auf Seiten des Verletzers.

Ähnliche Anforderungen stellte der BGH auch in seiner Entscheidung vom 12.05.2016 (Aktenzeichen: I ZR 43/15) auf, in der es um den Gegenstandswert der Abmahnung in Bezug auf die öffentliche Zugänglichmachung eines Computerspiels ging.

Diese Vorgaben können in zweierlei Richtungen ausschlagen. So können sie einerseits dazu führen, dass gerade im Bereich von stark nachgefragten und aktuellen Werken Gegenstandswerte zustandekommen, die die pauschal angenommenen Werte des doppelten Lizenzschadens um ein Vielfaches übersteigen. So kann es aber ebenfalls sein, dass bei sehr alten Werken, die praktisch nicht mehr nachgefragt werden, Gegenstandswerte entstehen, die weit unter dem doppelten Lizenzschaden liegen. Da die Feststellung des genauen Gegenstandswert nunmehr von sehr vielen Einzelheiten abhängt, empfiehlt es sich, diesen durch einen spezialisierten Anwalt prüfen zu lassen, sollte man eine Abmahnung erhalten haben.

Keine pauschale Verweisung auf Familienmitglieder

In einer anderen Entscheidung (Aktenzeichen: I ZR 48/15), in der es um die Zugänglichmachung von 809 Audiodateien ging, versuchte sich der in Anspruch genommene Inhaber des Internetanschlusses zu verteidigen, indem er seine Täterschaft bestritt. Konkret wurde darauf verwiesen, dass auch die Ehefrau und die damals 15 und 17 Jahre alten Kinder Zugriff auf die beiden im Haushalt genutzten Computer mit Internetzugang gehabt hätten.

Diese pauschale Verweisung auf andere Familienmitglieder hat der BGH aber nicht genügen lassen. Es sei vielmehr erforderlich, dass der Inhaber eines Internetanschlusses hinreichend konkret dazu vorträgt, dass seine Kinder oder die Ehefrau ernsthaft als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kämen.

Diese Entscheidung macht deutlich, dass die erfolgreiche Verteidigung gegen eine Abmahnung neben rechtlichem Knowhow auch die Darlegung zahlreicher Tatsachen erfordert. Für Empfänger einer Abmahnung kann es sich deshalb durchaus lohnen, einen spezialisierten Rechtsanwalt zu kontaktieren, um zu prüfen, ob ein hinreichend konkreter Verweis auf andere Familienmitglieder Sinn machen würde.

Keine anlasslose Belehrungs- und Überwachungspflicht gegenüber Gästen und Besuchern

In einer letzten Entscheidung (Aktenzeichen: I ZR 86/15) hatte der BGH sich mit der Frage zu befassen, ob der Inhaber eines Internetanschlusses als Störer für Urheberrechtsverletzungen haftet, die volljährige Besucher oder Gäste über den seinen Anschluss tätigen.

Im konkreten Fall hatte der Abgemahnte Besuch von seiner in Australien lebenden Nichte samt Lebensgefährte. Diesen hat er das WLAN Passwort überlassen, woraufhin sie die Verletzungen begangen haben.

In seiner Entscheidung stellt der BGH fest, dass eine Belehrung von volljährigen Gästen und Besuchern nur dann zumutbar ist, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Nutzung des Internetanschlusses durch die Gäste ersichtlich sind. Sind derartige Anhaltspunkte nicht vorhanden, muss der Inhaber des Internetanschlusses seine Gäste auch nicht über die Rechtswidrigkeit von Tauschbörsen belehren und haftet dementsprechend auch nicht, falls der Besuch eine Urheberrechtsverletzung begeht.

Durch diese Entscheidung eröffnet sich eine Verteidigungsmöglichkeit in Bezug auf Abmahnungen. Da insoweit aber, analog der vorherigen Entscheidung, ein pauschaler Verweis auf Besuch nicht ausreichen wird, empfiehlt es sich auch hier, einen spezialisierten Anwalt aufzusuchen, um die Verteidigungsaussichten zu maximieren.

Björn Wrase

Björn Wrase

RA Björn Wrase: Anwalt für AI/KI- & IT-Recht, Medien- und Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht und DatenschutzAutorenbeiträge anzeigen