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Einmalig überhöhte Vertragsstrafe führt nicht zu Rechtsmissbrauch 

Wer eine Abmahnung erhält, ist darüber aus sachlichen Gründen und wegen der damit verbundenen Kosten verärgert. Nicht ganz zu Unrecht vermuten abgemahnte Parteien häufig einen Rechtsmissbrauch bei diesem Vorgang, und in der Tat wirken manche Abmahnungen auf den ersten Blick überzogen und damit auch missbräuchlich.

Dennoch können sie berechtigt sein. Über so einen Fall musste das Oberlandesgericht Nürnberg kürzlich befinden. Im vorliegenden Verfahren ging es um die Frage, nach welchen Maßstäben die rechtsmissbräuchliche Verwendung von Abmahnungen zu bewerten ist. Konkret ging es um eine einmalig geforderte Vertragsstrafe, die der abgemahnten Partei deutlich überhöht erschien. Dies aber, so die Richter am OLG Nürnberg (Urteil v. 18.7.2023, Az.: 3 U 1092/23), war in diesem konkreten Fall kein Rechtsmissbrauch.

Wann ist vom Rechtsmissbrauch bei einer Abmahnung zu sprechen?

Ein Rechtsmissbrauch ist schnell daran zu erkennen, dass der juristische Vorgang – vielfach eine Abmahnung – sachfremde Zwecke verfolgt. Abmahnungen zwischen Unternehmen sollen grundsätzlich den fairen Zustand im Wettbewerb herstellen und haben damit ihre Berechtigung.

Es lassen sich damit freilich auch Wettbewerber schikanieren, was nicht immer gleich zu erkennen ist. Ob dieser sachfremde Zweck vorliegt, muss im konkreten Einzelfall nach der Indizienlage beurteilt werden. Zu dieser könnte auch ein überhöhter Gegenstandswert gehören. Weitere Indizien wären beispielsweise ein fehlendes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien oder ein unbeachtlicher Rechtsverstoß.

Die angesetzte Höhe des Gegenstandswertes ist ein sehr häufiger Streitpunkt, denn sie lässt die abgemahnte Partei fast immer an der Rechtmäßigkeit der erhaltenen Abmahnung zweifeln. Hierfür gibt es auch eine Rechtsgrundlage: Das UWG stellt in seinem § 8c Abs. 2 Nr. 4 UWG die missbräuchliche Geltendmachung fest, wenn jemand eine offensichtlich überhöhte Vertragsstrafe fordert oder auch im Vorfeld vertraglich vereinbart.

Einmalig überhöhte Vertragsstrafe und Gegenstandswert führen nicht zu Rechtsmissbrauch

Im vorliegenden Fall hatte eine abmahnende Partei als Gegenstandswert ihrer an den Wettbewerber verschickten Abmahnung 80.000 Euro angesetzt. Auch dies empfand die abgemahnte Partei als rechtsmissbräuchlich. Sie weigerte sich daher, die Vertragsstrafe zu zahlen. Diese war zwar einmalig gefordert worden, erschien aber nach der Sachlage deutlich überzogen.

Der Fall landete schließlich OLG Nürnberg, das jedoch feststellte, dass die sehr hohe, aber nur einmalig geforderte Vertragsstrafe kein Indiz für die rechtsmissbräuchliche Verwendung der Abmahnung sei (OLG Nürnberg, Urteil v. 18.07.2023, Az.: 3 U 1092/23).

Die beiden Parteien lagen im wettbewerbsrechtlichen Streit, in dessen Verlauf die nun abgemahnte Partei bereits eine Unterlassungserklärung abgegeben, später aber dagegen verstoßen hatte.

Ein weiterer Streitpunkt zwischen den Parteien betraf eine Vertragsstrafe bei sogenannten Dauerhandlungen, also fortgesetzten Verstößen vorrangig im Internet. Hierfür sollte die abgemahnte Partei für jeden Verstoß pro angefangener Woche eine Vertragsstrafe zahlen. Auch die stets neuen Verfahrenskosten hätten sie finanziell belastet. Dieses Vorgehen ist strittig. Einerseits herrscht der Grundsatz, für das stets gleiche Vergehen eine einheitliche Handlung anzunehmen, die demzufolge auch nur einmalig zu sanktionieren ist.

Dieser Grundsatz schützt eine beklagte Partei vor Rechtsmissbrauch und ruinösen Kosten. Andererseits muss eine Vertragsstrafe angemessen genug ausfallen, um Dauerverstöße wirksam zu ahnden, was die klagende Partei in ihren Rechtsbedürfnis unterstützt. Es sind stets Ausmaß einer Zuwiderhandlung und deren Dauer zu bewerten. Beides kann durchaus eine sehr hohe Vertragsstrafe rechtfertigen. Das OLG Nürnberg entschied in diesem Fall, dass nach billigem Ermessen kein Rechtsmissbrauch vorliege und die geforderte Vertragsstrafe daher angemessen sei. Diese Auslegung erlaubt der § 315 Abs. 1 BGB.

Dipl. Jurist, Rechtsanwalt Björn Wrase

Dipl. Jurist, Rechtsanwalt Björn Wrase

Hochspezialisiert im gewerblichen Rechtsschutz. Anwalt für Urheberrecht, AI/KI- & IT-Recht, Medienrecht, Wettbewerbs- und Markenrecht sowie Datenschutz.Autorenbeiträge anzeigen