Um den Gegenstandswert bei einer Klage gegen unverlangt zugeschickte Werbemails ging es bei einem Prozess vor dem Kammergericht Berlin, das dort die Position des Oberlandesgerichts einnimmt. Der Fall ging damit schon in die zweite Instanz, er war zuvor bereits vom Landgericht Berlin verhandelt worden.
Die Besonderheit in diesem Prozess war die Position des Klägers: Er ist selbst Anwalt und vertrat sich selbst. Auch der Kläger war nicht vor lästiger Werbung per Spam-Mails geschützt, bei der sich manche Anbieter als besonders hartnäckig erwiesen.
Der klagende Anwalt ging von einem Streitwert von 3.000 Euro für jede Erstmail zu einem Betreff und von einem Zehntel dieses Wertes bei zeitnah folgenden Mails zum gleichen Betreff aus.
Werbemail begründet Streitwert von 3.000,- €
Der Rechtsanwalt hatte Klage in eigener Sache gegen mehrere Gesellschaften mit Sitz in Frankreich erhoben. Sie sollten ihn künftig mit ihren Werbemails verschonen. Es handelte sich um insgesamt fünf Firmen, die ihm jeweils eine Werbemail zugeschickt hatten.
Zwei dieser Unternehmen ließen sogar nach der Abmahnung noch eine weitere Mail folgen. Nun verlangte der Kläger vor dem Landgericht Berlin Ersatz für die entstandenden Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung.
Die Richter am Landgericht setzten einen Streitwert von 3.750 Euro fest. Der Anwalt legte dagegen Beschwerde ein: Er ging seinerseits von 30.000 Euro aus. Die Beschwerde landete vor dem Kammergericht Berlin, das der Argumentation des Klägers überwiegend folgte.
Kammergericht Berlin: Gegenstandswert von 3.000,- € für Werbemail
Bei der Festsetzung des Streitwerts folgte der 5. Zivilsenat am Kammergericht Berlin dem § 48 Absatz 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Daraus ergaben sich 18.300 € (Kammergericht Berlin, Beschluss vom 04.05.2023, Az.: 4 W 6/23, 5 W 6/23).
Die Richter bezifferten den Streitwert einer einzigen unerbetenen Werbemail im Rahmen der Unterlassungsklage auf 3.000 Euro. Der Kläger konnte sechs solcher Mails und eine Folgemail nachweisen. Für Letztere soll der Wert den Intentionen des Klägers folgend ein Zehntel der Erstmail betragen. Auch dieser Auffassung folgte das KG Berlin.
Somit ergab sich ein Streitwert von insgesamt 18.300 Euro. Das Landgericht Berlin hatte zuvor deutlich niedrigere Werte angesetzt. Es wollte dem Kläger nur 1/4 des Wertes zugestehen, weil er ab dem Eingang der Mails relativ viel Zeit verstreichen ließ, bevor er seine Unterlassungsansprüche im Hauptsacheverfahren geltend machte.
Dieser Argumentation folgten die Richter am Kammergericht nicht. Ihrer Meinung nach verliert der sogenannte „Angriffsfaktor“ bei unerwünschter Werbung im Verlaufe der Zeit nicht an Bedeutung. Dieser Faktor ist für die Bemessung eines gerichtlichen Gegenstandswertes maßgebend. Die betreffende Aussage im Beschluss des Berliner Kammergerichts hat grundsätzliche Bedeutung. Empfänger von unerwünschter Werbung können sich folglich auch lange nach dem Eingang so einer Mail noch gerichtlich wehren und Schadenersatz geltend machen.
Wichtig ist am Beschluss zudem, dass die sechs mit 3.000 Euro Streitwert bezifferten Mails aus fünf Erstmails und einer Nachfolgemail bestanden. Diese Nachfolgemail bewertete das Kammergericht Berlin genauso hoch wie die Erstmails, weil sie nach der Abmahnung verschickt worden war. Diese Hartnäckigkeit ist nach Auffassung des Kammergerichts besonders zu ahnden. Die andere Nachfolgemail war hingegen kurz nach dem ersten Text versandt worden, enthielt prinzipiell keinen neuen Inhalt und hatte deshalb kaum eine eigene Bedeutung. Daher wurde sie nur mit 300 Euro bewertet.