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LG Bochum zur Erfüllung der sekundären Darlegungslast

Problemfall im Klageverfahren wegen Filesharings

Eine aktuelle Entscheidung des Landgerichts Bochum (Az.: I-8 S 17/17) vom 07.09.2017 beschäftigte sich mit der Frage, in wie weit der Inhaber eines Internetanschlusses verpflichtet ist, Auskünfte über weitere Nutzer zu erteilen und damit mit der Frage der sekundären Darlegungslast. Eine interessante Entscheidung, welche in Zeiten von Filesharing, Torrent- Netzwerken und Streamingdiensten Beachtung finden sollte.

Die Frage nach weiteren Nutzern des Internetanschlusses ist immer dann relevant, wenn Unterlassungs-, Rechtsanwalts- und Schadensersatzansprüche aufgrund einer Urheberrechtsverletzung geltend gemacht werden. Meist geht es um heruntergeladene Spielfilme oder Musik. Dann ist zunächst nie klar, wie viele und welche konkreten Personen Zugriff auf den Internetanschluss hatten. In einem Einfamilienhaus kann es vorkommen, dass ein Dutzend Personen Zugriff auf ein entsprechendes WLAN–Netzwerk haben.

Für den Kläger stellt sich in diesem Fall die Frage, wer Täter der Urheberrechtsverletzung ist und, ob der Anschlussinhaber Auskunft darüber geben muss, welche Personen als mögliche Täter in Betracht kommen. Dies wird rechtlich schwierig, sofern es sich bei den Nutzern des Internetanschlusses meist um Familienangehörige handelt.

LG Bochum sieht sekundäre Darlegungslast als erfüllt an

In der Entscheidung des Landgerichts Bochum ging es um eine abgewiesene Berufung des Klägers (Rechteinhaber). Dieser wollte das erstinstanzliche Urteil dahingehend ändern lassen, dass die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz und der angefallenen Abmahnkosten verurteilt wird. Die Berufung wurde als unbegründet verworfen, da die Beklagte (Anschlussinhaberin) ihrer sekundären Darlegungslast entsprochen hatte. Sie nannte im vorinstanzlichen Prozess ihren Sohn als möglichen Täter der Urheberrechtsverletzung, welche der Kläger auf §§ 97, 97a UrhG stützte.

Das Gericht stellte klar, dass keine näheren Angaben von der Beklagten verlangt werden könnten. Sie konnte angeben, dass ihr 44- jähriger Sohn in der Nachtzeit den Internetanschluss benutzt hatte. Dadurch habe sie einen ernsthaft in Betracht kommenden Täter genannt. Es sei nun nach wie vor Aufgabe der klagenden Partei, der Beklagten die Urheberrechtsverletzung nachzuweisen. Eine einfache Aussage dahingehend, dass es der Sohn schon nicht gewesen sei, ist dann nicht mehr substantiiert, zumal auch keine Beweisangebote der klagenden Partei angeboten wurden. Hier ist anzumerken, dass die klagende Partei zwar anregte, den Sohn zu vernehmen. Hierbei handelte es sich aber aus Sicht des Gerichtes um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis. Ein solcher liegt vor, wenn sich erst aus der Vernehmung des Zeugen eine mögliche Grundlage für einen Tatsachenvortrag ergeben hätte.

Die Entscheidung des Landgerichtes deckt sich mit BHG-Rechtsprechung, die Revision wurde nicht zugelassen.

Die sekundäre Darlegungslast im Allgemeinen

Im Zivilprozess gilt das Begünstigungsprinzip. Jede Partei hat diejenigen Tatsachen darzulegen und letztlich zu beweisen, die für sie günstig sind. Praktisch bedeutet dies, dass die klagende Partei alle anspruchsbegründenden Tatsachen beweisen muss. Bei einem Zahlungsanspruch aus einem Kaufvertrag muss sie beweisen, dass ein Kaufvertrag besteht und dass der Zahlungsanspruch auch fällig ist. Die beklagte Partei muss dagegen alle rechtshindernden, rechtsvernichtenden Einwendungen oder rechtshemmende Einreden beweisen. Im Beispiel kann sie darlegen und beweisen, dass ein Kaufvertrag gar nicht zustande gekommen ist, dass bereits Erfüllung eingetreten ist oder dass der Anspruch verjährt ist.

Dieses Prinzip findet seine Wurzeln im Beibringungs- und Dispositionsgrundsatz. Die Parteien bestimmen im Zivilprozess also selbst, worum es im Verfahren geht, auf welche Weise er beendet wird und welche eingebrachten Beweismittel vom Gericht zu würdigen sind.

Keine Umkehr der Beweislast aber…

Bei der sekundären Darlegungslast verschiebt sich dieses Prinzip, ohne komplett umgekehrt zu werden. Es kann geboten sein, dass die beklagte Partei etwas zu den anspruchsbegründenden Tatsachen vortragen muss. Dies ist dann der Fall, wenn eine Tatsache völlig dem Erkenntnisbereich der klagenden Partei entzogen ist und es der beklagten Partei zumutbar ist, dazu Stellung zu nehmen. Grundsätzlich braucht keine Partei der anderen Partei mit Informationen aushelfen, da dies den oben genannten Grundsätzen des Zivilprozesses zuwiderlaufen würde. Andererseits haben beide Parteien die Pflicht zur Wahrheit, § 138 Abs. II ZPO.

Ein Beispiel für eine typische Situation der sekundären Darlegungslast wäre ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, § 812 Abs. I 1. Alt S. 1 BGB. Tatbestandsmerkmal ist hierbei, dass der Empfänger etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Der Kläger müsste jetzt alle erdenklichen Gründe vortragen und als Rechtsgrund ausschließen. Dies wäre weder prozessökonomisch, noch zielführend. Daher müsste die beklagte Partei hier erwähnen, worin denn der Rechtsgrund zu sehen ist. Legt die beklagte Partei einen Kaufvertrag vor oder benennt sie diesen, hat sie ihrer sekundären Darlegungslast entsprochen. Nach wie vor liegt es aber am Kläger, die Nichtigkeit des Kaufvertrages darzulegen und letztlich zu beweisen. Es bleibt trotz dieser Ausnahme am Ende also bei der typischen Darlegungs- und Beweislast.

Björn Wrase

Björn Wrase

RA Björn Wrase: Anwalt für AI/KI- & IT-Recht, Medien- und Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht und DatenschutzAutorenbeiträge anzeigen