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Zum aktuellen, seit dem 1.1.2022 geltenden Kaufrecht

In Deutschland ändert sich ab dem 1.1.2022 das Kaufrecht. Deutschland setzt damit die EU-Richtlinie 2019/771 zu Aspekten des Warenkaufs um (sogenannte Warenkaufrichtlinie). Die vorhergehende Verbrauchsgüterkaufrichtlinie wird damit abgelöst, sie galt schon seit rund 20 Jahren. Die Änderungen im Kaufrecht tragen der digitalen Wirtschaft Rechnung.

Änderungen zum Kaufrecht im Überblick

Die Änderungen betreffen einzelne Aspekte und Teilgruppen von Käufern und Verkäufern, teilweise wirken sie aber auch auf alle Arten von Kaufverträgen und sowohl im B2B- als auch im B2C-Bereich sowie bei Kaufverträgen, die Privatleute untereinander abschließen (sogenannte C2C-Verträge).

Das Gros der Änderungen bezieht sich auf Verbrauchsgüterkaufverträge nach § 474 Absatz 1 Satz 1 BGB. Dies sind B2C-Verträge zu beweglichen Sachen. Im Fokus stehen bei den Änderungen digitale Produkte. Wesentliche Neuerungen sind:

  • Der Sachmangel ist begrifflich grundlegend neu definiert.
  • Es gibt künftig eine gesetzliche Aktualisierungspflicht bei Gütern mit digitalen Elementen.
  • Händler haben bestimmte Pflichten bei der Nacherfüllung.
  • Der Rücktritt vom Kauf aufgrund von Mängeln wird für Verbraucher erleichtert.
  • Die Verjährung von Mängelansprüchen ist verlängert. In Einzelfällen kann sie die Zweijahresfrist überschreiten.
  • Die gesetzliche Beweislastumkehr für den Mangel verlängert sich auf ein Jahr (bisher: 6 Monate).
  • Erweiterte Garantieerklärungen über die gesetzliche Mängelhaftung hinaus bedürfen einer bestimmten Form.
  • Händler erhalten neue rechtliche Möglichkeiten für den Rückgriff beim Lieferanten, falls der Endverbraucher Ansprüche wegen Mängeln anmeldet.

Der neuer Sachmangelbegriff ab 2022

Der Neudefinition des Sachmangelbegriffs nach § 434 BGB-NEU ist für das neue Kaufrecht zentral. Demnach besteht bei einer Kaufsache Sachmangelfreiheit, wenn sie den

  • subjektiven, 
  • objektiven und 
  • für die Montage erforderlichen

Anforderungen entspricht.

Der bisherige Vorrang der individuellen Vereinbarungen zur Beschaffenheit der Kaufsache entfällt. Das beschneidet künftig den Interpretationsspielraum, ob und wann der Sachmangel vorliegt. Die individuellen Vereinbarungen sind subjektive Anforderungen, sie sind nun den objektiven Anforderungen gleichgestellt. Welche dies jeweils sind bestimmt weitgehend der § 434 BGB-NEU. D

er Kern der bisherigen Regelungen des Kaufrechts bleibt aber unberührt. Die Änderungen berühren im Wesentlichen B2C-Verträge. B2B- und C2C-Verträge unterlagen schon bisher weitestgehend dem Gleichrang von objektiven und subjektiven Anforderungen.

Als problematisch erkennen Juristen den Gesetzeswortlaut des § 434 Absatz 1 BGB-NEU, weil die gleichzeitige Erfüllung von objektiven und subjektiven Anforderungen für die Mangelfreiheit bei erheblichen Unterschieden zwischen diesen Anforderungen schwer zu realisieren ist. Dies betrifft vor allem die sogenannte „negative Beschaffenheitsvereinbarung“. Bei dieser vereinbaren ein Händler und der private Käufer wirksam, dass die Kaufsache hinter objektiven Anforderungen zurückbleiben darf. So etwas geschieht in der Praxis unter anderem bei Ausstellungsmöbeln, die möglicherweise durch das Ausstellen beispielsweise infolge von Sonneneinstrahlung ausgeblichen sind. Solche Vereinbarungen wären künftig nicht mehr möglich bzw. der Verbraucher könnte sie nachträglich anfechten.

Beschaffenheit von Kaufsachen

Die neue Warenkaufrichtlinie nennt bei den objektiven Anforderungen auch die übliche Beschaffenheit inklusive der Haltbarkeit (§ 434 Absatz 3 Satz 2 BGB-NEU). Garantieren muss der Händler diese allerdings nicht für eine definierte Dauer. Die Kaufsache muss lediglich beim Zeitpunkt des Gefahrübergangs die Fähigkeit besitzen, Leistungen und erforderliche Funktionen bei normalem Einsatz zu behalten. Welche Eigenschaften die Beschaffenheit einer Kaufsache ausmachen, benennt der § 434 Absatz 2 Satz 2 BGB-NEU wie folgt:

  • Art der Kaufsache
  • Funktionalität  
  • Qualität 
  • Kompatibilität
  • Menge
  • Interoperabilität

Die sogenannte „Zuweniglieferung“ ist künftig ein eigener Sachmangel. Bislang wurde sie nur dem Sachmangel gleichgestellt.

Mängel bei digitalen Kaufsachen

Digitale Kaufsachen enthalten digitale Inhalte oder Dienstleistungen bzw. sind mit diesen so verbunden, dass sie ohne sie nicht funktionieren (§ 475b Absatz 1 Satz 2 BGB-NEU). Das wären beispielsweise ein Smart-TV oder eine Smartwatch mit App. Das Gesetz listet allerdings keine bestimmten Produkte, sodass die Einordnung im Einzelfall erfolgt.

Wichtig für die Definition als digitale Kaufsache ist, dass es sich um ein geschlossenes Produkt und nicht zwei verbundene Produkte handelt, von denen eines rein digital funktioniert. Dies wären etwa ein Smartphone und eine davon unabhängig zu erwerbende App für eine Zusatzfunktion, die auf jedem erdenklichen Smartphone laufen kann, während das Smartphone selbst auch ohne diese App funktioniert. Wann Kaufsachen mit digitalen Elementen mängelfrei sind, bestimmen für Verbrauchsgüterkaufverträge des B2C-Geschäfts (und nur für diese) die §§ 475b, 475c BGB-NEU. Die Regelungen dieser §§ treten neben die Regelungen des § 434 BGB-NEU zum Sachmangel und ergänzen diese. Die wesentlichste Neuerung ist die gesetzliche Aktualisierungspflicht für digitale Sachen. Händler müssen künftig Updates während der Lebensdauer der Sache garantieren. Für B2B- und C2C-Geschäfte gilt diese gesetzliche Pflicht nicht.

Die wirksame negative Beschaffenheitsvereinbarung

Bei Verbrauchsgüterkaufverträgen im B2C-Verkehr fordert das Gesetz in § 476 Absatz 1 Satz 2 BGB-NEU eine wirksame negative Beschaffenheitsvereinbarung. Sie bedeutet im Falle einer Abweichung von den geforderten Eigenschaften einer Kaufsache, dass 

  • der Verbraucher vor dem Vertragsabschluss gesondert über die Abweichung bestimmter Merkmale von objektiven Anforderungen Kenntnis erhält und
  • die Abweichung im Kaufvertrag gesondert vereinbart wird.

Eine „gesonderte Vereinbarung“ ist schon beim Bestellvorgang – etwa auf der Website –hervorzuheben. Der Verbraucher muss also schon bei der Bestellung wissen, dass einige Eigenschaften von den üblichen Merkmalen der Kaufsache abweichen werden. Ein Vermerk hierzu in den AGB genügt nicht. Auch ein vorangekreuztes Kästchen im Online-Bestellformular, welches auf diese Abweichung hinweist und gegebenenfalls per Klick abgewählt werden kann, ist unzulässig. Zulässig wäre allerdings das nicht vorangekreuzte Kästchen, das der Verbraucher per Klick bewusst aktivieren muss. Dies geht aus der Gesetzesbegründung auf Seite 42 hervor. Im Kern muss dem Verbraucher deutlich die Abweichung bewusst gemacht werden.

Pflicht zu Updates

Die Aktualisierung von digitalen Kaufsachen per Update wird verpflichtend. Wenn keine Updates erfolgen, ist dies ein Sachmangel (§ 475b BGB-NEU). Die Update-Pflicht gilt, wenn

  • sie im Kaufvertrag vereinbart ist (§ 475b Absatz 3 Nr. 2 BGB-NEU) und
  • wenn die Kaufsache nur mit Updates während ihrer Lebens- und Nutzungsdauer funktionieren kann (§ 475b Absatz 4 Nr. 2 BGB-NEU).

Updates sind von Upgrades zu unterscheiden. Letztere verbessern die Funktionsfähigkeit und müssen nicht pflichtgemäß und kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Sie dürfen jedoch selbstverständlich als Zusatzleistung im Kaufvertrag vereinbart werden. Inwieweit der Anbieter hierfür eine Gebühr verlangt und ob der Käufer diesen zustimmt, obliegt der üblichen Vertragsfreiheit.

Fazit

Die hier behandelten Teilaspekte betreffen den Kern der neuen Warenkaufrichtlinie. Sie gehört nun zum BGB und ist umfassend, vor allem aber beim Handel mit digitalen Gütern beachtet werden.

Björn Wrase

Björn Wrase

RA Björn Wrase: Anwalt für AI/KI- & IT-Recht, Medien- und Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht und DatenschutzView Author posts