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Die Überwachungskamera des Nachbarn

Das Amtsgericht München urteilte, dass eine auf dem Nachbargrundstück aufgestellte Überwachungskamera die Persönlichkeitsrechte verletzen kann und daher zu entfernen ist (AG München, Urteil vom 01.02.2023, Az.: 171 C 11188/22).

Mittlerweile nutzen viele Nachbarn Überwachungskameras

Die Parteien des Verfahrens besitzen unmittelbar aneinander angrenzende Grundstücke in München. Seit April 2022 stritten sie über eine Überwachungskamera, welche die Antragsgegnerin auf ihrer Terrasse aufgestellt hatte.

Die Antragstellerin konnte die Kamera von ihrer eigenen Terrasse aus sehen. Gegen die Aufstellung wehrte sie sich, weil sie mit der Videoüberwachung ihre Persönlichkeitsrechte verletzt war. Sie forderte schließlich im Juli 2022 die Antragsgegnerin auf, ihre Videoüberwachung ab sofort zu beenden und auch in Zukunft nicht wieder aufzunehmen. Dies verweigerte die Antragsgegnerin mit einem Verweis auf die Funktion der Kamera: Diese diene nicht der allgemeinen Videoüberwachung, sondern explizit der Wildüberwachung, mit der sie ausschließlich ihren eigenen Garten beobachten wolle, auf dem sich gelegentlich Wildtiere aufhalten könnten.

Entscheidungen des Gerichts

Zunächst erließ das AG München am 12.08.2022 eine einstweilige Verfügung zugunsten der Antragstellerin, die der Antragsgegnerin grundsätzlich untersagte, auf dem eigenen Grundstück eine Überwachungskamera zu installieren, wenn diese den Garten oder die Terrasse der Antragstellerin erfasst.

Es genüge schon, so der Wortlaut der Verfügung, dass der entsprechende Eindruck entsteht. Daraufhin entfernte die Antragsgegnerin ihre Kamera. Gegen die Verfügung legte die Antragsgegnerin Widerspruch ein. In dem folgenden Urteil verblieb das AG München bei seiner Rechtsauffassung und begründete diese wie folgt:

Auszüge aus der Urteilsbegründung

„Die zuvor aufgestellte Kamera verletzt das Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin. Es kommt dabei nicht entscheidend auf den durch die Kamera erfassten Bereich an. Grundsätzlich ist zwar die Videoüberwachung des eigenen Grundstücks erlaubt, wenn sichergestellt ist, dass tatsächlich nur der eigene Bereich erfasst wird. Jedoch ist jeder Einzelfall gesondert zu bewerten. Hierfür zitierte die Antragstellerin ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2020, das wiederum vorherige OLG-Urteile aufgreift (BGH, Urteil vom 16.03.2010, Az.: VI ZR 176/09). Dort heißt es, dass Einzelfälle deshalb besonders zu bewerten sind, weil es immer wieder die Befürchtung von Nachbarn gibt, von einer Videoüberwachung in der Umgebung betroffen zu sein. Solche Befürchtungen können unter bestimmten Umständen nachvollziehbar sein. So könnte die Überwachung etwa einen Nachbarstreit eskalieren lassen. Dazu hatte sich ein Jahr zuvor das Oberlandesgericht Köln positioniert (OLG Köln, NJW 2009, 1827, NZM 2009, 600). Es ist auch möglich, dass bestimmte Umstände der Kamerainstallation objektiv Verdacht erregen. In so einem Fall können Persönlichkeitsrechte von (vermeintlich) überwachten Nachbar allein wegen der Verdachtssituation so stark beeinträchtigt sein, dass die Kamera zu entfernen ist.“

Das AG München stellte gleichzeitig fest, dass die bloße hypothetische Möglichkeit der Überwachung noch nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt.

Im vorliegenden Fall waren aber Standfotos der Kamera ausgewertet worden. Diese ließen einen Kamerawinkel vermuten, der in der Tat bedenklich nah an das Grundstück der Antragstellerin heranreicht.

Dipl. Jurist, Rechtsanwalt Björn Wrase

Dipl. Jurist, Rechtsanwalt Björn Wrase

Hochspezialisiert im gewerblichen Rechtsschutz. Anwalt für Urheberrecht, AI/KI- & IT-Recht, Medienrecht, Wettbewerbs- und Markenrecht sowie Datenschutz.Autorenbeiträge anzeigen